Neue Horizonte: 5 Trends in der italienischen Pizzaszene
Pizza hat eine jahrhundertealte Geschichte, aber wir können sie immer wieder neu erfinden. Die Kunst besteht nicht so sehr darin, etwas Neues von Grund auf zu schaffen, sondern das, was in der Vergangenheit gemacht wurde, mit einem Hauch von moderner Kreativität zu überarbeiten. Diese fünf Trends, die die italienische Pizzaszene erobern, sind ein perfektes Beispiel für diese Kombination.Bildnachweis: Alessandra Farinelli
Die Renaissance der römischen Pizza
Vielleicht fragst du dich, wie die römische Pizza in Mode kommen kann. Schließlich ist sie neben der Neapolitanischen die beliebteste Pizza Italiens. Mit ihrer runden Form (bekannt als "tonda romana"), dem dünnen Rand und der großen Auswahl an Belägen scheint es kaum etwas zu geben, was man ändern könnte.
Aber genau wie die neapolitanische Pizza vor zehn Jahren erlebt die römische Pizza eine Art Wiedergeburt und taucht aus der Dunkelheit der unbekannten und altmodischen Pizzerien in der Nachbarschaft auf, um ins Rampenlicht der Zeitschriften und berühmten Gastronomieführer zu treten.
Einer der Anführer dieser "neuen Welle" (und derjenige, der sie als "Wiedergeburt" bezeichnet hat) ist kein Geringerer als Jacopo Mercuro. 2022 gewann er sowohl den Titel des besten Pizzabäckers des Jahres bei den 50 Top Pizza Italy Awards als auch den Titel des des besten Pizzaiolo dell'Anno unter 35 Jahren (gesponsert von Ooni) bei den Food & Wine Italy Awards. Seine Pizzeria, 180 grammi, wurde auch mit "Tre spicchi" (drei Pizzastücke), die höchste Auszeichnung für Qualität) vom renommierten Gambero Rosso Guide ausgezeichnet und ist trotz der Entfernung zum Zentrum von Rom immer ausgebucht. Jacopo stellt seinen flachen, dünnen Teig mit Hilfe einer Biga (eine Art Vorgärung) her und experimentiert auch mit unerwartetn Kombinationen fernab der klassischen "bianca" und "rossa", wie Prosciutto mit Fior di Latte oder Ananas-"Pastrami" bei seiner Pineapple Express Pizza.
Jacopo ist nicht der Einzige, der die Welt der Pizza nach römischer Art aufrüttelt. Luca Pezzettas Pizzeria Clementina in Fiumicino (einem Dorf am Meer außerhalb Roms) ist ebenfalls einen Besuch wert, weil sie neue Rezepte nach römischer Art mit unkonventionellen Belägen kombiniert. Nicht zu vergessen die außergewöhnlich frischen Meeresfrüchte.
Und dann ist da noch Sami El Sabawy, der Pizzabäcker in der Pizzeria A Rota in Rom. Sami war Schüler von Gabriele Bonci (ein Innovator der römischen Pizza, sowie ein produktiver Bäcker, Autor von Pizzarezeptbüchern und Star seiner eigenen Pizzashow) und ist seitdem in der Welt der Pizza immer weiter aufgestiegen.
Während Jacopo seinen Pizzateig mit den Händen ausstreckt, bevorzugt Sami die traditionelle römische Methode, bei der der Teig mit einem (matterello) Nudelholz bis zum Rand abgeflacht wird.
Er wandte auch alles an, was er von Bonci über die Fermentierung des Teigs sowie über die Bedeutung von hochwertigem Mehl und saisonalen Belägen gelernt hatte, um seine Pizzen bekömmlicher zu machen. Das Ergebnis? Ein Produkt, das mit der Tradition verbunden ist und gleichzeitig einen absolut modernen Ansatz hat.
Dünn, faltbar und mit experimentelleren Kombinationen belegt... es lebe die Wiedergeburt der Pizza Romana!Bildnachweis: Alessandra Farinelli
Eine Reise in die Vergangenheit: Die Rückkehr der neapolitanischen Pizza "a rota 'e carretta".
Während Rom in eine strahlende Zukunft blickt, entdeckt Neapel seine Vergangenheit wieder. Im letzten Jahrzehnt haben die Pizzabäcker der "neuen Welle" den Canotto-Stil angenommen, eine weniger traditionelle neapolitanische Pizza, die kleiner ist und einen großen, aufgeblasenen und geschwärzten cornicione (Rand) hat (Canotto heißt eigentlich übersetzt aufblasbares Floß oder Kanu). Einige, wie Salvatore Lioniello von der Pizzeria da Lioniello und Marco Quintili haben diese Pizzen im Canotto-Stil sogar zu einem Teil ihrer Online-Identität gemacht.
Heute jedoch nehmen dieselben Pizzabäcker eine klassischere Version der neapolitanischen Pizza in ihre Speisekarten auf: Die Pizza "a rota 'e carretta" (Wagenrad) ist eine flache, breite Pizza mit dünnem Rand, die vor vielen Jahren vor allem in den ärmeren Vierteln Neapels beliebt war.
Obwohl dieser Stil nie ganz verschwand, war er nur noch in einigen wenigen Pizzerien in der Altstadt zu finden. Diese Rückkehr zu den Ursprüngen der neapolitanischen Pizza ist wahrscheinlich auf die jüngsten Preissteigerungen bei den Zutaten zurückzuführen. Da diese Pizza eine größere Teigkugel und mehr Belag benötigt, wird der höhere Preis diesmal durch mehr Essen gerechtfertigt - und durch mehr Zufriedenheit.
Was ebenfalls zu ihrem Comeback beigetragen hat, ist zweifellos die Popularität einer Marke wie L’antica Pizzeria da Michele, einer neapolitanischen Pizzeria, die 1870 gegründet und 2019 in Hollywood, Kalifornien, eröffnet wurde. Sie hat ihre charakteristische Pizza "a rota 'e carretta" erfolgreich (und weltweit) exportiert, dank ihrer Franchiseunternehmen sowie ihres jahrhundertealten Rezepts.
Manchmal kann es sehr lecker sein, aus Alt mach Neu zu machen.
Bildnachweis: Alessandra Farinelli
Ein Hoch auf die Pizzeria-Ketten
L’antica Pizzeria da Michele ist ein perfektes Beispiel für einen weiteren Trend, der sich in den letzten zehn Jahren in der italienischen Pizzabranche entwickelt hat: die Pizzeria-Ketten.Obwohl sie an sich kein neues Phänomen sind, war das Wort "Kette" in Italien immer gleichbedeutend mit "schlechter Qualität". Und doch hat die Pizza diese vorgefasste Meinung in Frage gestellt.
Nimm zum Beispiel Alessandro Condurro, den Geschäftsführer von Michele in The World, der sich weitgehend von einer anderen berühmten Pizzakette, Rossopomodoro, inspirieren ließ. Diese hat es geschafft, Restaurants in ganz Italien sowie in internationalen Städten wie Tokio, Dubai, Barcelona und New York zu eröffnen und damit eine Revolution im Bereich der Pizzeria-Ketten auszulösen.
Andere bemerkenswerte Beispiele für erfolgreiche Ketten scheinen aus dem Nichts zu kommen. Einige Ketten haben zum Beispiel soziale Netzwerke intelligent genutzt, um ihre Popularität zu steigern, wie Vincenzo Capuano, eine der wichtigsten Stimmen der modernen Pizza. Sein Markenzeichen ist eine qualitativ hochwertige Pizza mit einem weichen, gut aufgeblasenen Cornicione. Durch seine angepasste Nutzung sozialer Netzwerke konnte er seine persönliche Marke entwickeln, was dazu führte, dass er seine eigene Pizzeria in Neapel eröffnete. Seitdem sind viele weitere gefolgt, darunter auch zwei in Deutschland.
Ein weiterer aufstrebender Pizzabäcker ist Errico Porzio der erste "Pizza"-Star auf TikTok mit über 900.000 Followern, der seine eigene kleine Kette neapolitanischer Pizzerien gegründet hat.
Die rasanteste Erfolgsgeschichte gehört aber wohl Pizzium Die 2017 von Ilaria Puddu, Stefano Saturnino und Nanni Arbellini in Mailand gegründete Marke hat mittlerweile 36 Pizzerien eröffnet (alle direkt geführt, kein Franchise) und hat nicht vor, in nächster Zeit aufzuhören. Allein im nächsten Jahr sind 20 weitere Pizzium-Eröffnungen in Italien geplant. Ein Beweis dafür, dass manche Ketten nicht dazu da sind, aufgelöst zu werden. Bildnachweis: Alessandra Farinelli
Eine Pizzeria, unendlich viele Stile :
Vor einigen Jahren bedeutete die Modernisierung des Pizzaerlebnisses vor allem, den Kunden die Wahl zwischen verschiedenen Teigarten zu lassen. Heute ist diese Auswahl ein Klassiker auf den Speisekarten geworden.
Einer dieser Stile, der sich wachsender Beliebtheit erfreut, ist die "Pizza al padellino" (Pizza aus der Pfanne), die ihren Namen von der kleinen runden Pfanne hat, in der die Pizza gebacken wird, normalerweise in einem Elektro-Ofen (ein wesentlicher Bestandteil in Turin, der Hauptstadt der Region Piemont).
In Italien gibt es viele Varianten der "Pizza al padellino", obwohl sie je nach Region, in der man sich befindet (vor allem im Süden), unterschiedliche Namen haben: pizza nel ruoto, rutiello, rutino und ruccolo, um nur einige zu nennen. Auch bei den Backmethoden (Holzfeuer oder elektrisch), der Textur (knusprig oder fluffig) und natürlich den Zutaten gibt es viele Variationen. Das Konzept ist jedoch immer das gleiche: eine leckere Pizza, die in einer runden Form oder einem Blech gebacken wird.
Ein weiterer Stil, der in Italien immer beliebter wird, ist die ”pizza alla pala”: eine ovale Pizza, die pro Stück serviert wird und hauptsächlich von Bäckern in Latium und Kampanien (italienische Provinzen) hergestellt wird. Es ist auch nicht ungewöhnlich, dass neue Pizzerien mit einem Bäckereikonzept eröffnet werden, bei dem die Kunden ein warmes Stück mit ihrem frisch gebackenen Brot kaufen können.
Foorn ist das perfekte Beispiel dafür: eine Bäckerei und Pizzeria in Mariglianella (Provinz Neapel). Während der Pizzabäcker Salvatore Kosta (bekannt als "dottore" oder "Doktor" aufgrund seines Abschlusses in Lebensmittelwissenschaften) eine wunderbare "Pizza alla pala" und einen klassischen Neapolitaner mit einem leichten, knusprigen Rand kreiert, taucht der Bäcker Carlo Di Cristo in die Welt des Mehls und der Hefe ein, um eine beeindruckende Auswahl an Sauerteigbroten zu backen.Bildnachweis: Alessandra Farinelli
Käseplatte und Drink dazu? Endlich Pizzas in Verbindung mit Cocktails
Italien ist bekanntlich die Wiege der Pizza. Daher ist es kein Wunder, dass die verschiedenen Kombinationsmöglichkeiten zwischen Pizza und Getränk auch von ihnen immer wieder neu erfunden werden. Der neue Trend trifft daher garantiert ins Schwarze: Pizza und Cocktails! Das ist mal was anderes als die klassische Kombination aus Pizza und Bier oder Cola.
In Italien war der Vorreiter das Dry Milano in Mailand: Viele Jahre lang war dieses Lokal einer der wenigen Orte, an denen man ein Degustationsmenü aus Pizza in Kombination mit Cocktails bekommen konnte.
Man muss jedoch feststellen, dass moderne Pizzerien immer mehr zu vollwertigen Restaurants mit Lounges, Bars und Spirituosen werden. Selbst in einer so traditionellen Stadt wie Neapel kann man gehobene Pizzerien finden, die separate Cocktailmenüs anbieten. Es ist also kein Zufall, dass Restaurants wie das Salotto Martucci oder der letzte Rossopomodoro in der Galleria Navarra im Stadtteil Chiaja, einem der reichsten Viertel der Stadt, zu finden sind.
Was wird also der nächste Trend in Sachen Kombinationen sein? Wahrscheinlich Pizza und Kaffee. Denn schließlich sind wir in Italien. (Aber nicht Cappuccino oder Latte Macchiato, soweit wird es wohl nie kommen)